Den Mund aufmachen und für Entrechtete eintreten - Gedenken an die Reichsprogromnacht am 09.11.2018

Akteure Gottesdienst.2Gedenken und Mahnung an Reichspogromnacht vor 80 Jahren

„Unser Gedenken an das Verbrechen des 9. November 1938 und an die Schrecken der Shoa verpflichtet uns, auch heute entschieden gegen alle Formen der Judenfeindschaft einzustehen.“ Das hat Pfarrer Wolfgang Grieb (Hermannstein), Mitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Gießen –Wetzlar, gesagt. Und weiter: „Dass Juden und Jüdinnen in Deutschland ohne Angst leben können, gehört zu unserer christlichen Identität.“

Der 80. Jahrestag der Reichspogromnacht war Anlass für die Feier eines Gedenkgottesdienstes in der Unteren Stadtkirche Wetzlar, den die Kirche in ökumenischer Verbundenheit beging: So übernahmen der baptistische Pastor Tilo Linthe für die Freikirchen, Diakon Norbert Hark für die katholische Kirche und Pfarrer Björn Heymer für die evangelische Kirche Gebete und Lesungen.

Mit der Erzählung von bewegenden Lebensgeschichten erinnerten die Akteure an Wetzlarer Juden, die in Israel und an anderen Orten Zuflucht fanden wie Georg Davidssohn (1876-1958), Erich Stern (1910-1989) und Josef Gerstel (1874-1942). Gerstel, der letzte Kultusbeamte der jüdischen Gemeinde Wetzlar, musste beispielsweise erleben, wie SA-Schergen sein gesamtes Hab und Gut, dazu seine kostbare Bibliothek mit wertvollen Talmud-Schriften durch das Fenster auf die Straße warfen. Das berichtete Ulla Schneider, ehemalige Lehrerin aus Wetzlar.

Die Pfarrer zündeten auch im Bewusstsein um die Schuld der Kirchen Lichter des Gedenkens und der Mahnung an die drei vertriebenen jüdischen Menschen an. Vom mutigen Eintreten für Verfolgte in der Geschichte erzählte Elisabeth Hausen: So habe der philippinische Präsident Manuel Quezon (1878-1944) sein Land für 1.300 Juden geöffnet und der japanische Diplomat Chiune Sugihara Visa ausgestellt und damit 6.000 Juden gerettet, die mittlerweile rund 40.000 Nachkommen hätten.

„Tu den Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind“ zitierte Pfarrer Grieb aus dem biblischen Buch der Sprüche, Kapitel 31, Vers 8. „Die Erfahrungen von damals ermutigen uns, uns auch heute zu engagieren und
nicht immer dem Staat das letzte Wort zu geben“, mahnte der Theologe und nannte als Beispiel Menschen, die Bürgschaften für Flüchtlinge abgeschlossen haben oder für Menschen, deren Rückverschickung den Weg ins Verderben bedeuten würde, Kirchenasyl zur Verfügung stellen. „Es ist wichtig, dass wir heute den Mund auftun und für Entrechtete eintreten“, so Grieb.

„Unter deinen weißen Sternen“ von Abraham Brudno sang Elisabeth Hausen, während Kantor Dietrich Bräutigam an der Orgel den Gesang der Gemeinde begleitete und den Choral „Zion klagt mit Angst und Schmerzen“ vortrug.

Am 9. November 1938 gab es in Deutschland massive Ausschreitungen gegen Synagogen und jüdische Geschäfte. Zwei Tage zuvor war der deutsche Botschaftssekretär Ernst von Rath in Paris von dem 17-jährigen Polen Herschel Grünspan angeschossen worden und an seinen Verletzungen gestorben. Dies nahmen die Nationalsozialisten zum Anlass für eine Mord- und Brandstiftungsaktion von bisher nicht gekanntem Ausmaß. In der Nacht vom 9. zum 10. November wurden
jüdische Männer und Frauen ermordet, Zehntausende verhaftet und in Konzentrationslager gebracht, Synagogen angezündet und jüdische Geschäfte zerstört.

Zahlreiche Gemeinden in den Kirchenkreisen Braunfels und Wetzlar haben am 8. und 9. November mit Gottesdiensten, Gebeten und Zeitzeugenberichten der jüdischen Menschen gedacht und ein deutliches Zeichen gegen den wachsenden
Antisemitismus in unserer Gesellschaft gesetzt.

Den Gottesdienst zum Gedenken und zur Mahnung an 80 Jahre Reichspogromnacht gestalteten (v.l.): Pfarrer Wolfgang Grieb, Pfarrer Björn Heymer, Ulla Schneider, Kantor Dietrich Bräutigam, Elisabeth Hausen, Diakon Norbert Hark und Pastor Tilo Linthe.

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